Den sosiologiske offentlighet

Repression versus Solidarität

Kürzlich besuchte Francesca Albanese, die UN-Sonderberichterstatterin für die besetzten palästinensischen Gebiete, die Universität Oslo, wo sie ein Gespräch mit Greta Thunberg bei einer Veranstaltung mit dem Titel „Against a Lawless World“ führte. Obwohl es für viele Studierende an der Uni in Oslo so scheinen mag, ist es keine Selbstverständlichkeit, dass die Juristin und Menschenrechtsaktivistin Albanese an einer Uni sprechen darf. Nachdem die Ludwig-Maximilians-Universität in München eine Veranstaltung mit Francesca Albanese abgesagt hatte, entschied auch die Freie Universität Berlin, dass sie nicht auf dem Campus sprechen dürfe. Die Senatorin für Wissenschaft Ina Czyborra (SPD) und der Bürgermeister Kai Wegner (CDU) hatten geäußert, dass Albanese „in allen Kriterien“ antisemitisch sei und drängten die Freie Universität, die Veranstaltung abzusagen.

 

Während es auf den Straßen Oslos große Demonstrationen bestehend aus einer Vielfalt von Menschen ohne Repressionen durch die Polizei gab, sah ich in den sozialen Medien Videos von Polizeigewalt gegen friedliche Demonstrierende in Deutschland.

Vor einigen Monaten wurde hier eine Rezension des Buches von Donatella della Porta veröffentlicht, das sich mit der zunehmenden Repression und Zensur von Intellektuellen und Künstler:innen in Deutschland befasst, die sich propalästinensisch äußern und wie staatliche Institutionen und Medien zu dem beigetragen haben, was Della Porta als moralische Panik bezeichnet. Selbst bin ich in Deutschland und Norwegen aufgewachsen. Ich zog Anfang Oktober 2023 nach Oslo zurück und verfolgte die deutsche und norwegische Berichterstattung in den Medien nach dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober und dem darauffolgenden Krieg im Gazastreifen aufmerksam. Mir fiel schnell die abweichende Darstellung des Kriegs in Gaza in den jeweiligen Ländern auf. In Berlin, der Stadt in der die größte palästinensische Diaspora in Europa lebt, wurden Demonstrationen in Solidarität mit den Palästinenser:innen im Gazastreifen in den ersten Wochen verboten. Deutsche Politiker wiederholten fortlaufend Deutschlands historische Verantwortung und Pflicht, an der Seite Israels zu stehen.

Deutschland ist der zweitgrößte Waffenlieferant Israels. Als Südafrika Israel vor dem Internationalen Strafgerichtshof anklagte, Völkermord an den Palästinensern im Gazastreifen zu begehen, war Deutschland das einzige Land weltweit, das sich auf die Seite Israels stellte, um es gegen die Anklage zu verteidigen. Einige Monate später wurde Deutschland vor dem Internationalen Strafgerichtshof von Nicaragua der Beihilfe zum Völkermord durch den Export von Waffen nach Israel angeklagt.

Während es auf den Straßen Oslos große Demonstrationen bestehend aus einer Vielfalt von Menschen ohne Repressionen durch die Polizei gab, sah ich in den sozialen Medien Videos von Polizeigewalt gegen friedliche Demonstrierende in Deutschland. Während ich täglich am Palästinacamp in an meiner Uni in Oslo vorbei ging, las ich davon, dass Versuche, ähnliche Protestcamps an mehreren deutschen Universitäten einzurichten, höchstens einige Tage hielten, bevor sie verboten wurden und Aktivist:innen von der Polizei geräumt wurden. Während Norwegen Palästina als Staat anerkannte, äußerten deutsche Politiker, dass dies das falsche Signal sende und die Hamas stärken würde. Als der Internationale Strafgerichtshof einen Haftbefehl gegen Netanyahu erließ, reagierte das norwegische Außenministerium mit der klaren Position, den Premierminister zu verhaften, sollte er nach Norwegen einreisen. Von der Bundesregierung kamen hingegen unklare Äußerungen – man müsse dies näher untersuchen, bevor man eine Antwort geben könne, da man sich im Dilemma zwischen dem internationalen Recht auf der einen Seite und der „besonderen und historischen Beziehung“ zu Israel auf der anderen Seite sehe. Deutschlands nächster Kanzler Friedrich Merz hat diese Unklarheiten mittlerweile beseitigt, indem er noch am Abend der Bundestagswahl Netanyahu einlud und erklärte, dass er dafür sorgen werde, dass er nicht verhaftet werde.

Norwegische versus deutsche staatliche Medienberichterstattung

Die deutsche öffentliche Diskussion aus Norwegen zu verfolgen, war eine absurde Erfahrung. Die Art und Weise, wie die Gesellschaft hier auf den Krieg reagierte, war nicht selten das Gegenteil zu dem, was ich aus Deutschland durch soziale Medien, Freunde, Familie und aus den Medien mitbekam. Ich hatte das Gefühl, dass ich geradezu beobachten konnte, wie die Diskurse in den jeweiligen Ländern konkret das politische Klima formten und wie sich Ereignisse, die innerhalb der Länder und im Nahen Osten stattfanden, in sehr unterschiedliche diskursive Rahmen gesetzt wurden. Es hat mich seitdem sehr beschäftigt, wie dieselben Ereignisse auf so unterschiedliche Weise dargestellt werden konnten und wie sie so unterschiedliche Reaktionen in den beiden Ländern, aus denen ich komme, hervorrufen konnten.

Eine Diskursanalyse, hier nach Ernesto Laclau und Chantal Mouffe kann dazu dienen, die Unterschiede in der Darstellung eines Phänomens zu dekonstruieren und zu verstehen. Die Diskurstheorie geht davon aus, dass Sprache ein Phänomen auf eine bestimmte Weise beschreibt und repräsentiert. Das Phänomen tritt auf eine von vielen Arten hervor, da Sprache niemals eine neutrale Spiegelung der Realität bietet. Durch Repräsentationen kommen Diskurse zum Ausdruck. Gleichzeitig beeinflussen Diskurse auch Repräsentationen, weil Diskurse einen kollektiven Rahmen bilden, der angibt, wie etwas innerhalb dieses Rahmens dargestellt werden sollte. So können wir von einem „Wechselwirkung zwischen Diskurs und Repräsentation“ (Johannessen, Witsø Rafoss und Rasmussen, 2023, 60) sprechen. Zudem ist ein zentrales Element der Diskurstheorie, dass „Diskurse gesellschaftliche Konsequenzen haben, wenn sie die Grundlage für unser Handeln bilden“ (ibid., 61). Ziel der Diskursanalyse ist es zu untersuchen, wie wir die Realität so konstruieren, dass sie uns objektiv und selbstverständlich erscheint (Jørgensen, Phillips, 2021, 57).

Ich möchte die soziologischen Werkzeuge nutzen, um das zu untersuchen, was beobachtet habe. Durch einen Vergleich von unterschiedlichen Medienberichterstattungen kann analysiert werden, wie die Sprache nicht nur die soziale Realität und das Verständnis solcher Demonstrationen in den jeweiligen Ländern widerspiegelt, sondern auch aktiv dazu beiträgt, sie zu formen. Um das Feld abzugrenzen, werden ausschließlich öffentlich-rechtliche/staatliche Medien in Norwegen und Deutschland untersucht. Ich gehe davon aus, dass diese Medien am ehesten miteinander vergleichbar sind und sie sind zugleich dadurch, dass sie viele Menschen erreichen und somit beeinflussen, wie ein Phänomen in einem breiten Diskurs dargestellt wird, besonders interessant.

Da beim Kanal der ARD überraschend wenige Artikel propalästinensische Demonstrationen behandelten und in den Fällen, dass sie erwähnt wurden, wurde auf die Seiten des RBB verwiesen wurde, entschied ich mich, mich auf diese Plattform zu konzentrieren.

Der deutsche Diskurs: Gewaltbereite und Kriminelle, die die historische Verantwortung untergraben?

Nach einer systematischen Durchsicht aller Artikel, die nach dem 7. Oktober 2023 auf den Seiten von RBB und NRK pro-palästinensische Demonstrationen behandelten, fiel mir schnell auf, dass die Inhalte der Artikel äußerst unterschiedlich waren. Bei NRK handelte die Mehrheit der Artikel davon, dass eine propalästinensische Demonstration schlichtweg stattgefunden hatte, während hingegen beim RBB alle Artikel strafbare Handlungen pro-palästinensischer Demonstrierenden erwähnten, wobei einzelne Demonstrationen allerdings als „relativ friedlich“ beschrieben wurden.

In deutschen Medien ging aus der Analyse hervor, dass ausschließlich die Polizei zu Wort kam, um das Ereignis darzustellen. Diese stellten es nahezu ausschließlich so dar, dass Demonstrationen stets mit strafbaren Handlungen verbunden seien. „Unruhen“, „Verhaftungen“ und „Körperverletzung“ waren die Begriffe, die verwendet wurden und schlossen den Diskurs dahingehend, dass propalästinensische Demonstrierende als Aggressor:innen und gefährlich dargestellt wurden. Dies etabliert eine Hegemonie darüber, dass propalästinensische Demonstrationen geradezu ausschließlich mit Eingreifen der Polizei verbunden sind, und schließt zugleich andere potentielle Bedeutungen des Sozialen aus.

Antagonismus entsteht laut Laclau und Mouffe zwischen Diskursen, wenn sich unterschiedliche Identitäten gegenseitig ausschliessen. Diese werden durch hegemoniale Interventionen aufgelöst, die dann erfolgreich sind, wenn allein ein Diskurs durch Macht dominiert. Macht bezieht sich auf die Unterdrückung tatsächlich vorhandener Diskurse. Ein Beispiel dafür aus der Analyse ist, dass die Demonstrierenden als eine homogene gewalttätige Gruppe artikuliert werden, was die Möglichkeit ausschließt, dass einzelne Gruppenmitglieder oder die gesamte Gruppe sich friedlich verhalten haben. Gruppen müssen laut Diskurstheorie artikuliert, also durch Sprache ausgedrückt und somit konstruiert werden. Dies kann jedoch auf zwei unterschiedliche Arten geschehen: indem die Gruppe von anderen beschrieben wird oder sich selbst repräsentiert. In deutschen staatlichen Medien werden propalästinensische Demonstranten ausschließlich von der Polizei beschrieben. Es gibt keine Vertreter:innen der Gruppe, die sich selbst repräsentieren.

Da der Diskurs nicht nur durch das definiert wird, was gesagt wird, sondern auch durch das, was nicht gesagt wird, ist es relevant zu betrachten, was im äußeren Bereich des Diskurses artikuliert wird. Hier kann hervorgehoben werden, dass Menschenrechtsorganisationen, linke deutsche Medien und ausländische Medien über Repressionen und Polizeigewalt gegen propalästinensische Demonstrierende berichten. Das eingangs erwähnte Buch von Donatella della Porta bestätigt dies ebenfalls (Della Porta, 2024).

 

Das vorherrschende Narrativ von Norwegen als Friedensnation und Vermittler im Nahen Osten legt nahe, dass Demonstrationen als friedlich dargestellt werden, um diese Erzählung aufrechtzuerhalten.

Der norwegische Diskurs: Kooperative und legitime Demonstranten in der „Friedensnation“?

In norwegischen staatlichen Medien zeigte die Analyse, dass propalästinensische Demonstrationen durch mehrere Perspektiven dargestellt werden. NRK verweist auf Aussagen des Palästinakomitees (Palestinakomiteen) und der Polizei. Es wird deutlich, von wem die Aussagen kommen, und sie werden kontextualisiert gesetzt. Dass verschiedene Perspektiven dargestellt werden, bedeutet in diesem Fall nicht, dass mehrere Diskurse antagonistisch aufeinanderstoßen. Beide Artikulationen schaffen Eindeutigkeit darüber, dass propalästinensische Demonstrationen friedlich und ohne Probleme stattfanden. Durch Begriffe wie „guter Dialog“ und „keine Probleme“ wird eine soziale Realität geschaffen, die die Demonstrierenden als kooperativ darstellt und den Ablauf nicht als problematisch ansieht.

Der Grund für die Demonstration wird durch konkrete Aussagen eines Vertreters der Gruppe genannt. Im Kontrast zu den Ergebnissen der Analyse der deutschen staatlichen Medien kommt die Gruppe in den norwegischen staatlichen Medien dadurch zum Ausdruck, dass sie sich selbst repräsentiert. Ein weiterer Unterschied zwischen dem deutschen und norwegischen Diskurs zeigt sich darin, dass in den Artikeln von NRK Namen sowohl von Personen aus dem Palästinakomitee als auch von der Polizei genannt werden. Propalästinensische Demonstrierende werden somit als eine Gruppe von Individuen dargestellt, die sich identifizieren lassen. Die Demonstrationen werden in einen diskursiven Rahmen mit Begriffen wie „Krieg“, „ermordet“ und „Hungersnot“ gesetzt, der durch seine Eindeutigkeit ein Hegemonie darüber schafft, dass die Demonstrationen gegen den Krieg und das Leiden gerichtet sind.

Eine weitere Schließung des Diskurses erfolgt auch durch die Darstellung eines Demonstranten als Opfer von Gewalt durch Außenstehende. Auch hier schaffen Polizei und Demonstrierende Eindeutigkeit darüber, dass Gewalt gegen propalästinensische Demonstranten inakzeptabel und strafbar ist. Im Diskurs der staatlichen norwegischen Medien herrscht Hegemonie darüber, dass propalästinensische Demonstrationen friedlich und legitim sind.

Die Diskursanalyse sollte sowohl das, was gesagt wird, als auch das, was nicht gesagt wird, berücksichtigen. Das Äußere des Diskurses lässt sich zum Beispiel in Medien finden, die der derzeitigen Regierung Israels positiv gegenüberstehen und die oft kritisch gegenüber den norwegischen staatlichen Medien sind. Das vorherrschende Narrativ von Norwegen als Friedensnation und Vermittler im Nahen Osten (Waage, 2024) legt nahe, dass Demonstrationen als friedlich dargestellt werden, um diese Erzählung aufrechtzuerhalten. Polizeigewalt gegen oder Verhaftungen von pro-palästinensischen Demonstrierenden würden diesen Diskurs zu untergraben drohen.

An dieser Stelle sei auch darauf hingewiesen, dass ich nur schriftliche staatliche Medien analysiert habe und die Radio- und Fernsehsender der staatlichen Medien sowohl in Deutschland als auch in Norwegen ausgeschlossen wurden.

Aufdeckende Eigenschaft der Diskursanalyse

Durch die Diskursanalyse als Werkzeug kann aufgedeckt werden, wie Sprache und Repräsentation die Grundlage für das Verständnis propalästinensischer Demonstrationen in Deutschland und Norwegen bilden. In Norwegen werden die Demonstrationen als Ereignisse dargestellt, bei denen Frieden und Dialog gefördert wird, was mit dem Selbstbild des Landes als Friedensnation und Vermittler im Nahen Osten übereinstimmt. In Deutschland, wo der historische Kontext eine essenzielle Rolle spielt, werden die Demonstrationen als gefährlich und kriminell dargestellt.

Die unterschiedlichen Diskurse bringen nationale Identitäten zum Ausdruck und eine Analyse derer zeigt auf, wie sie sowohl die interne als auch die externe Politik im Zusammenhang mit dem Palästina/Israel-Konflikt beeinflussen.

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